Gewerbemietrecht

Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“ bringt massive gesetzliche Änderungen u. a. im Zivilrecht, Insolvenzrecht sowie im Strafverfahrensrecht  und wird am Freitag dem 27.3. vom Bundesrat genehmigt werden.

Grundlegende Prinzipien des Allgemeinen und Besonderen Schuldrechts werden zeitweise außer Kraft gesetzt oder modifiziert, ebenso im Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht. Hier werden nur die Auswirkungen auf gewerbliche Mietverhältnisse näher betrachtet:

1. Vertragsrecht, Verbraucher

Es werden zeitlich befristete Regelungen eingeführt, die ein außerordentliches Leistungsverweigerungsrecht bzw. ein Recht zur Einstellung von Leistungen aus vertraglichen Verpflichtungen aus für ihn wesentlichen Dauerschuldverhältnissen begründen, wenn

  • der Schuldner aufgrund der Folgen der Covid-19-Pandemie außerstande ist, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen,
  • ohne seinen angemessenen Lebensunterhalt oder den seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen zu gefährden.

Das gilt sowohl z.B.  für Mietverträge, Strom, Gas, Telekommunikationsverträge. Befristet bis 30.06.2020.

2. Dauerschuldverhältnisse

  • Kleinstunternehmen: weniger als 10 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz (der Geldbetrag, der in einem bestimmten Zeitraum eingenommen wurde) bzw. eine Jahresbilanz (eine Aufstellung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eines Unternehmens) von unter 2 Mio. EUR.
  • Kleines Unternehmen: weniger als 50 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz bzw. eine Jahresbilanz von unter 10 Mio. EUR.
  • Mittleres Unternehmen: weniger als 250 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz von unter 50 Mio. EUR bzw. eine Jahresbilanz von unter 43 Mio. EUR.

Leistungsverweigerungsrecht, wenn

  • Der Vertrag vor dem 08.03.2020 geschlossen wurde
  • das Unternehmen die Leistung infolge von Umständen, die auf die Pandemie zurückzuführen sind, nicht erbringen kann oder
  • dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.

Gilt nicht wenn:

  • die Ausübung für den Gläubiger unzumutbar ist, weil hierdurch die wirtschaftliche Grundlage seines Gewerbebetriebs gefährdet würde.
  • wenn die Nichterbringung der Leistung zu einer Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts des Gläubigers oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen führen würde.
  • für Miet- und Pachtverhältnisse, da hierfür eine gesonderte Regelung gilt.

3. Kündigungsrecht für Miet- und Pachtverhältnisse

Mietschulden, die in dem Zeitraum 1.4.2020 bis 30.6.2020 pandemiebedingt entstehen, berechtigen den Vermieter oder Verpächter nicht zur Kündigung des Miet- oder Pachtverhältnisses. Das kann durch Verordnung bis 30.09.2020 verlängert werden.

Den Ursachenzusammenhang zwischen der Pandemie und der Nichtleistung muss der Mieter glaubhaft machen. Von dieser Regelung kann nicht durch eine Individualabsprache zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.

Ausgeschlossen sind sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Wohnraum oder Geschäftsraum handelt.

Die Kündigungsbeschränkung endet mit Ablauf des 30.9.2022. Zahlungsrückstände müssen bis 30.6.2022 ausgeglichen werden.

Aktuell haben Mieter angekündigt, dass die Miete gekürzt wird oder Kündigungen ausgesprochen werden aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Hier eine kurze Einschätzung der Rechtslage:

1. Androhung von Mietzinskürzungen:  Mietzinsen können laut Gesetz jetzt gestundet werden. Von einem Recht auf Mietzinskürzungen ist nicht die Rede.

2. Außerordentliche Kündigungen: Auch hierfür gibt es laut der neuen gesetzlichen Regelungen keinen Spielraum.

3. Eine Kündigung bei Nichtzahlung der Miete für Monate April bis Juni ist ausgeschlossen.

4. Einige Firmen berufen sich bereits auf höhere Gewalt und Wegfall der Geschäftsgrundlage, bedingt durch den Corona-Virus:

  • § 313 BGB regelt den Fall der nach Vertragsabschluss eintretenden schwerwiegenden Veränderung der Umstände. Hier hat der Gesetzgeber vor allem die Fälle der Zweckstörung und Äquivalenzstörung vor Augen.
  • § 314 BGB wird in der Regel durch 543 BGB verdrängt. Die Voraussetzungen des 543 BGB dürften hier aber nicht vorliegen, da die Unzumutbarkeit der Fortsetzung nicht aus dem Risikobereich des Kündigungsempfängers kommt.
  • In extremen Ausnahmefällen kommt eine Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 313 BGB in Betracht.  Es gibt hier nur einen BGH Fall (Kernkraftwerk neue Bundesländer). Der BGH sprach zudem sprach zudem eine Ausgleichszahlung für die Vorzeitige Beendigung zu.

Voraussetzungen § 313 BGB:

  • Es müssen sich nach Vertragsschluss Umstände entscheidend verändert haben.
  • Diese Umstände dürfen nicht Inhalt des Vertrags geworden sein.
  • Die Parteien müssten, wenn sie die Änderungen vorausgesehen hätten, den Vertrags nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen haben.
  • Das Festhalten am unveränderten Vertrag muss für den einen Teil unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, unter Berücksichtigung der Risikoverteilung, unzumutbar sein.

Hinsichtlich enttäuschter Erwartungen des Mieters über die Verwendbarkeit des Mietgegenstandes, insbesondere hinsichtlich der Erwartung, mit dem Mietgegenstand Gewinne erwirtschaften zu können, ist zunächst von dem Grundsatz auszugehen, dass dieses Risiko als Teil des Verwendungsrisikos vom Mieter zu tragen ist. Selbst für den Fall des Scheiterns eines Gesamtobjekts trägt der Mieter die negativen Folgen für das gemietete Einzelhandelsgeschäft (BGH, NJW-RR 2000,1535).

Selbst für den Fall der Existenzgefährdung des Mieters liegt das Risiko erwartete zukünftige Gewinne zu erzielen beim Mieter, da es sich lediglich um eine ohnehin unbeachtliche einseitige Erwartung handelt, zum anderen ist die Existenzgefährdung lediglich eine Folge der konkreten wirtschaftlichen Entwicklung des Vertrages, nicht jedoch dessen Grundlage. Schließlich gehen bei jedem Vertragsschluss beide Parteien davon aus, dass der Vertrag sie nicht wirtschaftlich ruinieren werde. Das bloße Vertrauen einer Seite, das es nicht so kommen werde, ist jedenfalls durch § 313 BGB nicht geschützt. Ein Mieter kann grundsätzlich selbst dann nicht frühzeitig aus dem Vertrag entlassen werden, wenn er ohne den Aufwand hoher, seine eigenen Mittel übersteigenden Investitionskosten im Betrieb für den Rest der Vertragsdauer voraussichtlich nur mit Verlust bewirtschaften kann (so für einen Pachtvertrag BGH, NJW 1978, 2390).

Liegt eine vertragliche Risikoübernahme durch den Vermieter nicht vor, verbleibt das Verwendungsrisiko beim Mieter. Die gemeinsame Vorstellung der Parteien führt nur dann zum WGG, wenn es sich um solche handelt, mit deren Unrichtigkeit keine der Parteien rechnen musste. Das Verwendungsrisiko der gemieteten Sache trägt der Mieter. Für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage ist allenfalls dann Raum, wenn die Entwicklung auf Umständen beruht, die schlechterdings von keiner der Parteien vorauszusehen waren.

Rechtsfolgen für den Fall, dass die Corona Krise als ein solcher Fall des WGG eingestuft werden sollte:

  • Gem. § 313 BGB findet primär eine Anpassung des Mietvertrages statt. Anspruch auf Herabsetzung der Miete. Die Rechtsfolgen dauern auch nur solange an, bis das Geschäft für die Zweckbestimmung wieder verwendet werden kann. Die Rechtsfolge tritt nicht kraft Gesetz ein, sondern auf Verlangen des Mieters.
  • Eine Auflösung des Vertrages kommt nur in Betracht, wenn eine Anpassung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Das ist ultima ratio, was sich schon aus dem Grundsatz der Vertragstreue ergibt.

Wichtig: Auch hier ist das Schriftformerfordernis einzuhalten. Lediglich die Zahlung der verkürzten Miete genügt nicht. Lässt sich der Vermieter stillschweigend darauf ein, kann hierin eine einvernehmliche Vertragsänderung gesehen werden. Das hätte dann wiederum zur Folge, dass der Vertrag später einseitig ordentlich gekündigt werden könnte. Dies bedeutet also, dass derzeit nur mit Stundungen gearbeitet werden kann, da ansonsten Nachträge zu Mietverträgen erstellt werden müssen.

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